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Da bleiben die Fransen des Tuches im Verschluss der Schuhe hängen und man reißt sich beim nächsten Schritt die halbe Kleidung vom Leib. Ein, bei einer Drehung mit den Volantes vom Rock,  umgeschubstes Mikrophon bei den Sevillanas oder ein Ausrutschen auf dem gut gewienerten Bühnenboden dagegen stellt kurzzeitig eine mittlere Katastrophe dar. Ganz peinlich, wenn einem der Gummibund reißt und der Rock rutscht. Einmal habe ich bei einem Auftritt einen Flamencoschuh kaputt getanzt. Es ist der Riemen gerissen und der Schuh hielt nicht mehr am Fuß. Da habe ich mit dem einen Fuß an dem der Schuh noch ganz war, alle Zapateados gemacht, und dabei etwas seltsam herumgehumpelt.  Dann  habe ich kurzerhand die Schuhe ausgezogen und barfuß weiter getanzt. Das hat das Publikum so beeindruckt, dass es applaudierend und johlend aufstand. Blöd auch,  wenn die falsche Musik kommt, früher gab es noch Bandsalat bei Cassetten, später verkratzte CDs.  Für die Tänzerin fatal.  Einmal hing eine CD und ich habe die Bewegung so lange passend zum Kratzer getanzt, bis der Techniker weitergespult hatte. Mit Live- Gitarre ist zwar ein Kratzer auszuschließen, aber eben nicht, dass der Gitarrist anders spielt, als geprobt. Gitarristen sind auch Menschen und auch nervös, da kann es passieren, dass ein Paló fehlt, und der Gitarrist bereits fertig ist, während man als Tänzerin gerade mal auf Höchstgeschwindigkeit aufläuft und noch tanzt. Oder wenn der Techniker einem auf der Bühne das Licht ausdreht während man tanzt, weil man ihn unwissend als Hausmeister bezeichnet hat. Diese Männer heißen Technischer Leiter oder Facility Manager und bestrafen einen dort, wo es am schmlimmsten ist- auf der Bühne. Lauter peinliche Pannen und manche kann man nicht durch Üben vermeiden oder beeinflussen.

 

Der Trick zur Pannenabwehr

Manche Pannen sind so peinlich, dass man denkt, man betritt nie wieder eine Bühne, denn man riskiert sich  zu blamieren. Für all diese unvorhergesehenen Pannen haben sich die Künstler etwas ausgedacht, um sie dennoch abzuwenden. Kurz  vor dem Auftritt, wenn schon jeder das Lampenfieber auf seine Art spürt und bewältigt, wenn der Adrenalinpegel schon ansteigt,( der hat die Funktion, dass man schnell reagiert und besser aufpasst),  dann gibt es hinter der Bühne einen Brauch. Ohne den geht keine Künstlerin oder Künstler auf die Bühne. Zumindest war das früher so. Und bei mir ist das heute immer noch so, der Brauch soll zum Gelingen der Aufführung beitragen. Alles was man selbst nicht durch Üben und Improvisieren in der Hand hat, soll damit abgewendet werden, auch wenn nicht jede Panne dadurch verjagt wird.
Man  wünscht jedem anderen Künstler über die linke, dann über die rechte Schulte von vorne „toitoiotoi“.

 

Spucken gegen Pech

Der Brauch kommt von den Roma (woher auch sonst?) und ist überall im backstage- Bereich üblich. Dabei wird mit dem „Toi“ eigentlich das Geräusch des Spuckens nachgemacht, früher hat man sich gegenseitig über die Schulter gespuckt. Damit sollte alles Schlechte weggepustet, weggespuckt und weggeputzt werden,  damit die Aufführung gelingt. Überhaupt scheint es für eine gute Aufführung wichtig zu sein, den Raum zu reinigen und alles Schlechte zu vertreiben. So haben sich die unterschiedlichen Kulturen unterschiedliche Methoden ausgedacht um für gute Spirits zu sorgen. Beim Indischen Tanz ist der erste Tanz immer „das Blumenopfer“  bei dem die Tänzerin so tut als Blumenopfer  um den Boden zu schmücken und damit die bösen Geister zu vertreiben.

 

Klappern verscheucht das Unglück

 Vera Zingsen schreibt in ihrem Buch „Göttinen großer Kulturen“ von einem Ritual in Ägypten. Dabei wird Isis auf ihrer Suche nach Osiris dargestellt und das Systrum, die „Isisklapper“ gespielt. „Sie hält das Sistrum, die Isisklapper. Das Klirren soll Seth und die bösen Mächte abwehren.“ steht auf S.  343. Das Systrum ist ein U- förmiges Holzgestell auf dem zwei paar Messingzimbeln aufgespannt sind, die durch Schütteln einen Klang erzeugen. Die kleine Version davon sind die Fingerzimbeln.
Beim Bauchtanz werden zu Beginn des Stückes auch häufig die Zimbeln gespielt, was seinen Ursprung eventuell in diesem Ritual hat. Die Fingerzimbeln sind die Einzelteile aus dem Systrum. Der ägyptische Rhythmus zaar ist ebenfalls ein etwas unheimlicher Klang und wurde zum Vetreiben böser Geister und Krankheiten gespielt und dazu wurde getanzt. Die Pizzica, eine Tarantella- Variante hat ebenfalls die Aufgabe, dass man so lange dazu tanzt, bis der Biss der Terrantel ungiftig ist. Auch bei der Tarantella wird oft ein Instrument zum Tanz gespielt, das Tambourin, das eigentlich wie ein Systrum "in rund" ist.  Man kann also davon ausgehen, dass das rhythmische Klappern und Scheppern zum Tanz nicht nur zum Handwerk sondern auch zum Geister vertreiben gehört. Wenn man nun annimmt, dass Flamenco seinen Ursprung im indischen Tanz hat, dann liegt nahe, dass auch die Flamencos etwas im Tanz haben, das die schlechten Einflüsse verjagen soll. Wir könnten diese Aufgabe den Kastagnetten zuschreiben, oder aber auch dem Tanz mit dem Mantón.

 

"Abstauben" mit dem Mantón

Immerhin waren die Roma Hindu und die letzte Gruppe in Europa, die Sara Kali, auch Lakshmi genannt, anbeteten. Deren Symbol war (wie in mehreren Religionen) das Dreieck.  Zur Traje der Gitanas zählt der Mantón, das große Dreieckstuch mit langen Fransen dran.  Es kann gut sein, dass die Gitanas das Dreieckstuch, Mantón (Mantel) als Schutzmantel trugen und der Tanz damit mehr als nur Spielerei, sondern auch ein Wohlstimmen der Göttin und Reinigen des Tanzplatzes ist. Der Tanz mit dem Tuch also als eine Art des „Staubwischens“ auf der Bühne. Eine hübsche und bezahlbare Auwahl an Mantones gibt es hier:

Kastagnetten als Glücksbringer?

Analog zu den Fingerzimbeln oder Tambpurin im Orientalitschen Tanz oder bei der Tarantella, werden die Kastagnetten zum Flamenco gespielt. Die Kastagnetten gelten als für den Flamenco typisches Instrument. Diese Klappern aus Holz wurden jedoch auch in Sizilien und Neapel, sowie in Ägypten und Griechenland zum Belgeiten des Tanzes, vor Allem im Volkstanz, verwendet. Vielleicht hatten auch sie die Aufgabe mit ihrem Klangdas  Pech zu verscheuchen und das Schicksal gut zu stimmen.  Das Kastagnettenspiel ist Musizieren und Tanzen gleichzeitig und kann als hohe Schule der Kunst bezeichtnet werden.

 

Kastagnetten konzertant

 

Mittlerweile ist das Kastagnettenspiel auch  eine konzertante Kunstform und eine irre gute Kastagnettenspielerin ist schon seit vielen Jahrzehnten Luncero Tena, die scheinbar auch einmal Flamencotänzerin war. Hier ist sie zu hören mit der Hochzeit des Luís Alonso von Gimenez
Und hier sieht man sie sogar konzertant tanzen:
Auch  als Flamencotänzerin in jungen Jahren gibt es ein Video von ihr:

 

Kastagnetten das "göttliche" Instrument

 

Thalia, die Schutzpatronin der Musik und Unterhaltung, ist am Musenrondell im Postsammer Park übrigens mit  Kastagnetten in der Hand dargestellt. Somit sind die Kastagnetten mehr als nur ein Klappern zum Flamenco, sondern ein wahrlich "göttliches" Instrument- wenn man es zu spielen weiß.


Für die nächsten Auftritte also „toi toi toi!“. Übrigens sagt man darauf   „Ja, ebenfalls“- keines Falles „Danke“, denn damit ist der ganze Zauber dahin und den Pannen wieder Tür und Tor geöffnet. Und  falls das "toi toi toi" nicht hilft, spielen wir sicherheitshalber noch die Kastagnetten.

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