Die Sevillanas werden in Reihen oder im Carré getanzt, und man kann an einigen Schritten, an der Armhaltung und den Platzwechseln zwischen den Strophen noch erkennen, dass sie wohl einst ein höfischer Tanz, dem Menuett recht ähnlich, waren. Sevillanas zählen eigentlich nicht zum Flamenco. Aber für jede Flamencotänzerin gehören sie zum kleinen 1x1, man muss sie einfach können. Wenn auch eigentlich die Sevillanas nicht zum Flamenco zählen, gehört dieser Volkstanz aus Sevilla doch irgendwie Bestandteil des Flamenco- Repertoires.
Man spricht von Sevillanas in der Mehrzahl, weil es sich um vier Strophen handelt.
Seguidillas- die Mutter der Sevillanas
Als Vorläufer der Sevillanas gelten die Seguidillas. (Die andalusischen Gitanos sprechen sie als Seguiriyas aus.) Diese waren fröhlich und unbeschwert. Als 1749 der Bischof von Oviedo beschloss, alle Gitanos durch Zwangsintegration auszurotten, indem sie vehaftet und ihre Güter beschlagnahmt wurden, Männer und Jungen ab sieben Jahren als Zwangsarbeiter, und alle anderen in Depots eingekerkert wurden, veränderten sich die Seguidillas. Sie wurden zur tragischen, schmerzvollen Siguiriya. Die Siguiriya ist sozusagen die traurige Tochter der einst fröhlichen Siguidilla, die "Tragödie ohne Happy- End" im Flamenco. (Nachzulesen bei Bernhard Leblon, Flamenco; Palmyraverlag 2001; S. 27-29). Doch auch die Sevillana gilt als Nachkömmling der Seguidilla. In der Sevillana ist die Heiterkeit lebendig geblieben. Sie ist sozusagen die heitere Tochter der Seguidilla.
Sevillanas- Hauptsache zur rechten Zeit am rechten Platz
Die Sevillanas sind eigentlich im drei-viertel-Takt, wobei man nicht so einfach wie beim Walzer 1,2,3 zählen kann. Manchmal ist es logisch beim Tanzen auf sechs zu zählen, das Ende ist wie im Flamenco üblich, auf 10. Es sind vier Strophen, die immer an der gleichen Stelle Grundschritt, Figuren und Platzwechsel haben. Die Struktur ist immer gleich, aber die Ausführungen sehen oft völlig unterschiedlich aus, sogar der Grundschritt wird manchmal anders getanzt. Wesentlich ist, dass man zur richtigen Zeit den Platz wechselt und fertig ist. Die Strophen haben unterschiedliche Tonarten, Die Melodien der vier coplas sind bei gesungenen Sevillanas gleich, aber die Strophen haben inhaltlich oft überhaupt nichts miteinander zu tun. Häufig werden die Sevillanas mit Kastegnetten begleitet. Wenn man einmal die Struktur durchschaut hat, kann man die Sevillanas im Schlaf tanzen. Man hört bei den bekannten Sevillanas heraus, wo die Pasados (Platzwechsel) oder die Figuren kommen.
Man kann auch nach einer Strophe den Partner wechseln, dazu gibt es immer ein musikalisches Zwischenspiel. Wenn der Sänger beginnt, kann man das als Auftakt verstehen, die Damen raffen hier die Röcke, oder man nimmt die Arme in Pose. Der Tanz beginnt mit dem einsetzenden Gitarre und des Rhythmus´.
Sevillanas- der Party- Knaller
Heut zu Tage werden Sevillanas bei den Ferias (ursprünglich ein Pferdemarkt, heute schillernde fröhliche Volksfeste) rauf und runter gespielt und getanzt. In Sevilla ist die Feria de Abril immer eine Woche nach Ostern, im Februar findet immer die Feria de Jerez statt. Man kleidet sich in "Trajes", die aufwändigen, vielberüschten Sevillanaskleider, die Herren in Weste und mit Sombrero, und tanzt auf den Straßen, in den Zelten, in den Bars Sevillanas. In den Discotheken werden nach Mitternacht Sevillanas gespielt, in den Schulen lernen sogar die Kinder die Sevillanas zu tanzen und zu singen.
Sevillanas- unterschiedlich und gleich
Meine Bekannte Karin ist mit einem Sevillaner verheiratet. Für ihre Hochzeit hat sie sich von mir alle Strophen Sevillanas beibringen lassen. Als sie dann in Sevilla mit ihrer Verwandschaft und ihren Freundinnen getantz hat sagten die zu ihr: "Was tanzt du denn da für `ne veraltete Fassung? Heutzutage macht man das so..." Bei mir hat sie die "saubere" Bühnenversion gelernt, in Sevilla tanzt man wohl eine Fassung bei der einige Schritte verwischt sind. Generell kommt es darauf an, wo man sie tanzt- und wo man sie gelernt hat. Wenn man sich nicht draus bringen lässt, wie die anderen sie tanzen, und sich brav an Figur und Pasados hält, kann man mit allen Sevillanas tanzen, die Sevillanas tanzen. Es ist eben auch ein miteinander Tanzen, wo man in gewisser Weise seine Schritte an die der anderen anpasst. Das funktionert dann, wenn man die Sevillanas ohne groß nachzudenken tanzen kann. (Wenn es sein muss auch betrunken.)
Als wir in der Sierra Grazalema unterwegs waren, haben wir plötzlich in einem der weißen Dörfer viele bunte Wimpel zwischen den Häusern gespannt gesehen, die jungen Mädchen waren in Trajes gekleidet und in einem Zelt wurden Sevillanas von CD gespielt und dazu getanzt. Bei dieser Feierlaune haben wir angehalten und ich hatte endlich einmal Gelegenheit mit Einheimischen Sevillanas zu tanzen. Als ich aber in bei der Feria in Grazalema tanzte, bemerkte ich, dass man hier oben in den weißen Dörfern wohl auch noch die "alte" Fassung tanzt. Sowohl Männer als auch Frauen und Kinder. Weil es sehr heiß wird, haben die Markisen und Zelte eine fantastische Vorrichtung. Wie bei uns der Intervall- Scheibenwischer bei Regen, kommt hier in Intervallen ein Wasserdampf bei Hitze zur Kühlung. Das Tolle daran, weder die Kleidung, noch die Frisur werden nass. Es ist einfach nur ein nasser Fächer von der Decke. Man trinkt am hellichten Tag Vino y Cerveca und tanzt ausgelassen Sevillanas im Wasserdampf- weil es Spaß macht.
Wer mit notierten Sevillanas etwas anfangen kann, findet sie hier: