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Wir gehen den Pflasterweg entlang und hören schon schnelle Zapateados. Aber dann ist das Geräusch nur von einem jungen Mann, der gerade um die Ecke biegt und dessen mit Koffer auf Rollen den Weg entlang rumpelt. „Der hört sich an, als wär er der Tänzer.“ sagt mein Mann. Wir gehen durch das Tor mit der Hausnummer 21A und stehen in einem hübschen kleinen Garten. Bewachsen mit Palmen, Orangenbäumchen, bunte Lampen leuchten im dunklen Nachthimmel, es duftet nach Jasmin.

 

la carboneria in sevillaMIschung aus Saloon und Bierzelt
Es empfängt uns ein Koloss an Bodyguard und erklärt auf Englisch, dass es jede Stunde Flamenco gibt. Drinnen gibt es an der linken Bar Essen an der rechten Bar Getränke. Es sieht ein wenig aus wie eine Mischung aus Saloon und Bierzelt. Es sind lange Tische mit Bänken in Reihen aufgestellt, eine Tanzfläche und es gibt auch eine Galerie. Nachdem die Richtung der Tanzfläche auf die Ausgangstüre statt zu den Tischreihen zeigt, stellen wir uns an den Tresen an der Wand, direkt neben der Tür. „Es ist der beste Platz,“ meine ich „da wird nachher der Vorhang davor zugezogen“ meint mein Mann. Wir haben beide recht. Der Koloss zieht den Vorhang zu, völlig ungeachtet, dass er mitten zwischen einem Pärchen, das sich gegenüber sitzt durchgeht. Wir rutschen ein wenig zur Seite und haben den besten Blick zur Tanzfläche, weil ja nur das Pärchen noch vor uns sitzt.

 

flamencoinsevillaFlamenco- vom Kopf bis zu den Rollen
Tatsächlich ist der Typ mit dem Rollenkoffer der Tänzer. Er tritt mit einem Sänger und einem Gitarristen auf- unplugged. An der Getränkebar schmeißt der Barkeeper die leeren Flaschen laut in den Glaskontainer und scheppert mit den Gläsern herum. Die Gäste fabrizieren einen tumultartigen Lärm und es kaum etwas zu hören. Irgendwann wird es ein wenig leiser und man hört die Schritte des Tänzers, die Gitarre hört man kaum. Der Tänzer tanzt seitlich zum gesamten Publikum- aber wir haben den Frontalblick auf alle drei. Der Tänzer ist von oben bis unten Flamenco- wir erinnern uns, dass sogar sein Koffer Flamenco tanzt. Das Publikum ist trotz Seiten- und Rückenansicht begeistert. Es gibt eine Pause.

 

Unter freiem Himmel
Ich gehe ein wenig in den schönen Garten raus. Einige Leute sitzen hier an kleinen Tischen. Da sehe ich links hinten im Eck den Tänzer und den Gitarristen, sie probieren gerade eine Bulería. Manchmal ist das so, dass die Künstler sich vor dem Auftritt kurz über den Rhythmus einigen, und wenn sich jeder an die Struktur der Stücke hält, dann kann man auch mit wenig Proben viel darbieten. Aber dass man erst in der Pause damit beginnt, finde ich jetzt witzig. Ich schaue den beiden ein wenig zu, ein älterer Herr sitzt daneben und singt ihnen immer wieder drein. Dann sagt er, sie sollen doch mal kurz einen Tanguillo spielen. Und dann singt er was dazu. Es kommt noch ein älterer Herr dazu, und singt auch drein. Der möchte jetzt gerne Tarantas haben. Der Gitarrist spielt Tarantas. Dann sagt er, er soll doch mal so spielen. Dann diskutieren die beiden Herren, wie es denn nun gespielt wird.

 

Echte Sevillanos
Da gibt der Gitarrist dem Señor die Gitarre und sagt, er geht sich jetzt ein Wasser holen. Als mich einer der Herren stehen sieht, rückt er einen Stuhl neben sich zurecht und winkt mich zu sich. Er sagt, ich solle mich doch setzen. Er sagt, er heißt Jesús, sei ein Sevillano und will wissen wie ich heiße. Ich sage ihm meinen Namen, und er frägt woher ich bin, so einen Namen hat er noch nicht gehört. Was der denn bedeute. Als ich sage, dass ich aus Deutschland komme zieht er die Augenbrauen hoch und sagt, dass er gemeint hat, ich wäre von hier. Ich erkläre, dass mein Name bedeutet für den Sieg zu reiten, und , wenn ich zuerst geredet hätte, hätte er das schon gehört, dass ich nicht von hier bin. Wir unterhalten uns über Flamenco, und er will wissen, ob ich Sevillanas kenne. Natürlich, sage ich.

 

Sevillanas mit Sevillanos
Und er beginnt eine zu singen. Der Gitarrist kommt wieder um nach seiner Gitarre zu sehen. Deann sagt Jesús dem Gitarristen, er soll nun eine Sevillana spielen. Er fragt mich, welche ich kenne. Ich weiß natürlich nicht wie die heißen, und singe ihm den Anfang der Strophe „Sevilla mi cante, Sevilla mi flor“. Jesús stimmt mit ein und ergänzt die Textstellen, die ich nicht weiß, und so trällern wir munter Sevillanas im Duett, während der Gitarrist und der Tänzer vermutlich eigentlich was anderes machen wollten. Da kommt der andere Herr wieder dazu und Jesús stellt ihn mir als Enrique vor. Enrique plaudert auch mit mir und singt ebenfalls eine Sevillana. Jesús springt von seinem Gartenstuhl auf und will wissen, ob ich auch Sevillanas tanzen könne. So kommt es, dass ich mit den sevillananischen Herren im Garten der Carbonería Sevillanas tanze. Der Gitarrist und der Tänzer gehen in ein anderes Eck des Gartens. Jesús plaudert weiter.
Es dauert nicht lange, da höre ich aus der anderen Ecke eine Alegría. „Ach Enrique singt!“ mein Jesús. Brav spielt der Gitarrist die Alegría wie Enrique das will. Ich verabschiede mich von Jesús, weil ich meinen Mann nicht so lange warten lassen will und gehe wieder rein.

 

Alte Schule
enriceDer Koloss zieht wieder den Vorhang zu und die zweite Show beginnt. Ich zeige Marco die beiden Señores, mit denen ich darußen geplaudert, gesungen und getanzt habe, damit er nicht eifersüchtig wird, weil ich so lange draußen war. Beide sitzen am Stammtisch neben der Bar. Als der Gitarrist anfängt zu spielen, steht Enrique auf und geht auf das Tablao und beginnt einfach zu singen. Es sieht sehr unerwartet aus, aber die Künstler bleiben geduldig sitzen, und machen Palmas und der Gitarrist stimmt in den Gesang ein. Der Tänzer und der Gitarrist kamen zwar nicht zum Proben, dafür hat sich Enrique wohl draußen eingesungen. Er steht da und singt, das Publikum und sogar der Barkeeper sind ruhig. Enrique schmettert eine Alegría in einer Lautstärke, die der Sänger, der eigentlich engagiert ist, nicht hinbekommen hat. Vielleicht war Enrique früher ja mal Flamencosänger. Als er fertig ist, ist das Publikum hingerissen, Enrique nickt nur kurz, bedankt sich mit Handschlag bei den Künstlern und hockt sich wieder an den Stammtisch. Ich bin beeindruckt, wie die Künstler mit dieser Situation umgehen. Ganz geduldig haben sie einfach abgewartet, bis der ungeplante Auftritt das alten Mannes vorbei war, haben ihm die Bühne überlassen und machen jetzt die Show, die sie vorher nicht proben konnten.

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